Mit Blick auf die bereits gefallene Entscheidung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen  in der Gastronomie werden immer wieder Behauptungen aufgestellt. Nachfolgender Fakten-Check soll diese Behauptungen kritisch hinterfragen und eine umfassende Sicht auf die Sachlage geben. 

Fakt ist: Nur weil eine Entscheidung zeitlich in die Pandemie fällt, ist es noch lange kein reines Ausnahmekriseninstrument. Die Forderung, die Mehrwertsteuer auf Speisen gleichzustellen, besteht seit Jahrzehnten und ist keine reine Folge der pandemiebedingten Befristung. Ziel war es immer, die steuerliche Benachteiligung von Essen in der Gastronomie gegenüber Lieferdiensten und der Mitnahme von Essen etc. zu beseitigen. Das Gastgewerbe ist personalintensiv, hoch investiv und v.a. kein planbarer Fließbandbetrieb. Die Anpassung ist strukturell wichtig.

Fakt ist: 12 Prozentpunkte mehr verteuern alle Speisen. Die Konsumzurückhaltung wird weiter massiv zunehmen, was zu Umsatzrückgängen führt. Diese werden durch Betriebsschließungen (deutschlandweit laut DEHOGA-Umfrage rund 12.000) nochmals intensiviert. 7% von viel Umsatz ist für den Staat sinnvoller als 19% von deutlich weniger Umsatz. Diesen Effekt haben wir so auch beim Umsatzsteueraufkommen im Beherbergungsgewerbe nachgewiesen. Innerhalb weniger Jahre ist das Steueraufkommen durch Investitionen und Umsatzsteigerungen in der Hotellerie über dem Wert von 2009, als die Reduzierung beschlossen wurde, gestiegen. Im Übrigen liegt der Anteil des Bundes bei der Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Speisen nur bei ca. 1,5 Milliarden Euro. Bei einer aktuellen Steuerschätzung von fast 2 Milliarden Mehreinnahmen, gibt es den notwendigen Spielraum.

Fakt ist: Gastgewerbliche Betriebe sind die öffentlichen Wohnzimmer der Nation. In ihnen kommen alle Schichten zusammen, da es weit mehr ist als bloße Nahrungsmittelaufnahme. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, die im Zuge eines Förderprojekts des Bundes1 durchgeführt worden ist. Demnach haben 52,3 Prozent aller Restaurantbesucher ein Haushaltsnettoeinkommen unter 3.000 Euro, 28,7 Prozent sogar unter 2.000 Euro. Behauptungen, nur Reiche gingen Essen, waren immer wieder in der Debatte um die Erhöhung der Mehrwertsteuer aufgestellt worden und wurden nun widerlegt. Einen ausführlichen Bericht zu der Studie finden Sie hier.

Zudem ist auch die Kita-, Schul- und Seniorenverpflegung davon betroffen. Wir wollen gerade nicht, dass Essengehen zum Luxus wird. Es geht uns darum, dass sich alle Bürger Essengehen noch leisten können. Insbesondere im ländlichen Raum ist es üblich, dass Familien mit Kindern regelmäßig Gasthäuser aufsuchen. Diese Familien repräsentieren nicht ausschließlich kinderlose Wohlhabende. In einigen Medienberichten werden als scheinbar abschreckendes Beispiel Sterne-Restaurants als Profiteure genannt. Der Anteil an Sterne-Restaurants in Deutschland liegt gerade einmal bei 1,8 Promille aller gastgewerblichen Betriebe. Es geht aber v. a. um das Gasthaus im Dorf, das Lieblingslokal im Stadtviertel, wo sich jedermann trifft.

Die Umsatzsteuer hat zudem keine Lenkungswirkung, sondern dient einzig und allein der staatlichen Einnahmenerzielung. Die Kernfrage ist doch: Was kostet es uns, wenn wir die tausenden Betriebe verlieren? In Euro, aber auch an Lebensqualität.

1 Die Ergebnisse entstammen einer Befragung von Januar 2023, die im Zuge des Projekts „Lebensmittelverschwendung im Gastgewerbe mit lokaler Kreislaufwirtschaft reduzieren (LeGaLoRe)“ im Rahmen von LIFT Klima, einem Förderprojekt des Bundes, durchgeführt worden ist.

Fakt ist: Das Sterben der Wirtshäuser als notwendigen Strukturwandel abzutun ist unseriös. Es gibt zahlreiche Belege, welche Anstrengungen Bürgermeister unternehmen, um wieder ein Wirtshaus als gesellschaftliches Zentrum in ihrem Ort zu etablieren. Die sozio-kulturelle Bedeutung ist mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Es gilt, die Betriebe erst gar nicht zu verlieren (wo die Wirtschaft stirbt, stirbt der Ort). Weder Politik noch Gesellschaft wollen wie in Amerika überwiegend Systemgastronomie nur an Hotspots und Sternelokale in teuren Innenstadtlagen. Ein klassisches Restaurant oder Dorfwirtshaus hat Zukunft, wenn die Rahmenbedingungen passen. Dazu gehört die steuerliche Gleichbehandlung von Essen mit Lieferdiensten und To Go-Angeboten.

Fakt ist: Das Gastgewerbe hat eine wichtige regionalpolitische Ausgleichsfunktion und trägt überdurchschnittlich zur Beschäftigung in dünn besiedelten ländlichen Regionen bei. Die Branche leistet damit einen wertvollen Beitrag zum Erreichen des Ziels gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen Deutschlands. Zudem stellt das Gastgewerbe mit einer großen Vielfalt an Anforderungsprofilen Arbeitsplätze für alle Qualifikationsgruppen bereit und bietet auch Beschäftigten mit gebrochener Bildungshistorie oder Geflüchteten eine Chance. Es bietet die Möglichkeit eines leichten Einstiegs in den Arbeitsmarkt, genauso wie die Chance sich in dieser Branche in allen Bereichen beruflich weiterzuentwickeln oder etwas dazuzuverdienen. Darüber hinaus ist das Gastgewerbe überdurchschnittlich arbeitsintensiv. Das Argument, hunderttausend arbeitslos werdende Mitarbeiter aus dem Gastgewerbe können in anderen Branchen und an anderen Standorten in den Arbeitsmarkt wieder integriert werden halten wir für unseriös. Warum soll eine Branche geopfert werden, in der spekulativen Annahme, diese Arbeitskräfte wären in anderen Branchen besser aufgehoben?! Und das nach drei Jahren Pandemie. In dieser Zeit wurden viele Beschäftigte aus dem Gastgewerbe von anderen Branchen abgeworben.

Fakt ist: Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes liegt allein die Inflationsrate bei Lebensmitteln und Energie seit über einem Jahr dauerhaft über den ausgewiesenen Preissteigerungen für die Gastronomie. Die Kosten für den Wareneinsatz und Personal machen in den meisten Betrieben bereits 60% bis 70% des Umsatzes aus, die Energiekosten 4% bis 10%. Dabei sind die Personalkostensteigerungen, die laut DEHOGA-Umfragen bei bis zu über 20% liegen, noch nicht berücksichtigt. Nur mit den 7% Mehrwertsteuer ist es bisher gelungen, diese enormen Kostensteigerungen nicht 1:1 an die Gäste weiterzugeben.

Fakt ist: Zwar stieg der Umsatz nominal gegenüber September 2019 um 10,7 Prozent. Preisbereinigt sank der Umsatz jedoch deutlich um 9,9 Prozent. Das geht aus Berechnungen des DEHOGA auf Basis der aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Die hohen Preise für Energie und weiter deutlichen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln treffen das Gastgewerbe weiter deutlich und spiegeln sich in der Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen wider. In den ersten drei Quartalen 2023 setzte das Gastgewerbe nominal 8,1 Prozent gegenüber Januar bis September 2019 um. Real betrug das Umsatzminus noch 11,7 Prozent.

Fakt ist: Es ist fraglich, ob die Analyse der Mastercard-Umsätze in den Metropolen Berlin, Hamburg, München, Stuttgart und Dresden, eine seriöse Einschätzung der deutschen Gastronomielandschaft liefert. Der Anteil der Gäste, die in gastgewerblichen Einrichtungen mit Kreditkarte bezahlen, insbesondere mit einer speziellen Karte, ist minimal. Es ist wichtig zu beachten, dass Rückschlüsse von Erfahrungen in Metropolen nicht auf den ländlichen Raum übertragbar sind und zu einer verzerrten Perspektive führen können. 

Fakt ist: Die Anzahl steuerpflichtiger gastgewerblicher Betriebe ist in Bayern ist bereits zwischen 2019 und 2021 von 39.741 auf 33.236 eingebrochen.

Prognose: Aber auch das Coronajahr 2022 sowie das multiple Krisenjahr 2023 dürfte zu einem weiteren Rückgang gastgewerblicher Betriebe geführt haben. Sollte es jetzt zu einer Steuererhöhung auf 19 Prozent kommen, rechnet die Branche mit weiteren 2.393 Betrieben, die schließen müssten.

Zudem darf man das Gastgewerbe nicht nur ökonomisch betrachten, es hat im Gegensatz zu den meisten Branchen wichtige weitere Funktionen. Das Gastgewerbe hat eine wichtige regionalpolitische Ausgleichsfunktion und trägt überdurchschnittlich zur Beschäftigung in dünn besiedelten ländlichen Regionen bei. Die Branche leistet damit einen wertvollen Beitrag zum Erreichen des Ziels gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen Deutschlands. Zudem stellt das Gastgewerbe mit einer großen Vielfalt an Anforderungsprofilen Arbeitsplätze für alle Qualifikationsgruppen bereit und bietet auch Beschäftigten mit gebrochener Bildungshistorie oder Geflüchteten eine Chance. Es bietet die Möglichkeit eines leichten Einstiegs in den Arbeitsmarkt, genauso wie die Chance sich in dieser Branche in allen Bereichen beruflich weiterzuentwickeln oder etwas dazuzuverdienen. Darüber hinaus ist das Gastgewerbe überdurchschnittlich arbeitsintensiv. Hinzu kommt die sozio-kulturelle Bedeutung gastgewerblicher Betriebe als öffentliche Wohnzimmer der Nation.