Gastronomie, Hotellerie, die Veranstaltungsbranche und auch »Zulieferer« wie Brauereien, Caterer oder Messebauer leiden stark unter den Maßnahmen, die zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie ergriffen werden mussten. Wie die Ansteckungswahrscheinlichkeit über Aerosole im Gastgewerbe reduziert und damit der Betrieb von stark frequentierten Großraumbereichen kostendeckend gewährleistet werden kann, untersucht das Fraunhofer IBP gemeinsam mit dem Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern e. V. sowie der vbw (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.) im Rahmen des Projekts »Hy4HoGa«.
Projektziele
Es gilt, neue Lösungen zur Verringerung der Viruslast in der Luft zu erarbeiten oder bestehende aus anderen Bereichen zu adaptieren, die kostengünstig und ohne großen baulichen Aufwand schnell umsetzbar sind. Ziel ist die Entwicklung von Empfehlungen und prototypischen Hygienekonzepten für diverse Raumsituationen – von Bars und Kneipen bis hin zu Veranstaltungs- und Konferenzräumen.
Stand des Projektes
Im Filterprüfstand und Modellraum des »Indoor Air Test Center« des Fraunhofer IBP untersuchen die Forschenden derzeit in repräsentativen Szenarien anhand von Corona-Surrogat-Viren die Wirksamkeit und geeigneten Einsatz von ausgewählten Luftreinigungstechnologien (z. B. Filter mit HEPA-Klasse, Inaktivierung mittels UV- oder Plasma-Technologien usw.). Neben Effizienz und Abbaurate sind hierbei eventuelle Beiprodukte hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Innenraumluftqualität zu analysieren. Zusätzliche Simulationen der Luft- und Aerosolausbreitung ermöglichen, potentielle Installationspositionen oder die Anzahl benötigter Geräte zu ermitteln. Mit den Versuchsdaten werden letztlich auch Simulationsmodelle validiert, die für die Berechnung weiterer typischer Szenarien und die Verwendung in Hygienekonzepten im Gastgewerbe verwendet werden.
Das Projekt läuft bis Ende März 2021. Dann werden die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen.
Weitere Informationen dazu finden sich auch hier: https://www.ibp.fraunhofer.de/hy4hoga
HIER gelangen Sie zum entsprechenden Beitrag in unserem Gastgeber Bayern Magazin.
Zusammenfassung
Zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie gilt es, die Möglichkeiten von Technologie und Wissenschaft auszuschöpfen, um damit über unterschiedliche Bausteine die Risiken für die Bevölkerung zu reduzieren.
In diesem Zusammenhang erarbeitet das Fraunhofer Institut für Bauphysik IBP aktuell Lösungen zur Verringerung der Viruslast in der Luft, die kostengünstig und ohne großen baulichen Aufwand schnell umsetzbar sind. Es ist die Absicht, so unmittelbar einen Beitrag zur Reduzierung der Ansteckungswahrscheinlichkeit zu leisten. Der Fokus des Projektes richtet sich auf die Situation in Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungsbranche. Prinzipiell sollen die Ergebnisse in einem nächsten Schritt auch auf andere Bereiche übertragbar sein.
Im Rahmen des Projektes werden grundsätzlich Technologien für die Luftreinigung getestet und Konzepte für deren Einsatz abgeleitet.
Bisher konnten bereits erste Untersuchungen mit Corona-Surrogat-Viren (behüllte Phi6 Bakteriophagen mit vergleichbarer Struktur, Partikelgröße und Umweltstabilität zu SARS-CoV-2) durchgeführt werden, so dass die Versuchsstrategien mit künstlich eingebrachtem Aerosol in ausreichenden Virenkonzentrationen durchgeführt werden können. Orientierende Messungen wurden mit Luftreinigungstechnologien durchgeführt. Es zeichnet sich ab, dass nicht nur die bereits bekannte Abscheidung durch HEPA-Filter bei ausreichendem Luftvolumenstrom die Virenlast reduziert, sondern auch Technologien wie UV-C / Ionisierung / Ozon-Luftreinigung eine Wirkung gegenüber den Corona-Surrogat-Viren entfalten. Aktuell werden nun die Größenordnungen der möglichen Inaktivierung und die entstehenden Beiprodukte untersucht. Zudem werden in den kommenden Wochen sukzessive weitere Technologien einbezogen. Unter anderem werden auch Fragen der Wirksamkeit von desinfizierenden Aerosolen in die Tests mit einbezogen. Zum bisherigen Stand der Ergebnisse verweisen wir gerne auf den Abschnitt „Hinweise zum Einsatz von Luftreinigungstechnologien“.
Hinweise zum Einsatz von Luftreinigungstechnologien
Die Übertragung von Covid-19 über die Luft stellt nach aktuellem Wissensstand einen wichtigen Übertragungsweg der Infektion dar. Die Corona-Viren (SarS-CoV-2 Virus) werden dabei vor allem in Form von Aerosolen verbreitet, die sich wie Luft verhalten und mit der Raumluftströmung verteilt werden.
Um das Infektionsrisiko in Aufenthaltsräumen zu senken, muss also die Konzentration an Aerosolen mit infektiösen Viren verringert werden. Dies geschieht zum einen durch weniger Personen in den Räumen und die Nutzung von persönlichen Schutzmaßnahmen (wie z.B. Atemschutzmasken) – damit werden die Aerosolquellen reduziert. Andererseits muss die belastete Luft verdünnt werden: durch Austausch mit unbelasteter Luft, also durch Lüften, und durch Entfernung von Belastungen, also durch Reinigung.
Unabhängig von der Verdünnung der potentiell infektiösen Aerosole muss eine für die Nutzung adäquate Luftqualität bereitgestellt werden – also ausreichend Außenluft zum Atmen verfügbar sein (letztlich also Sauerstoff) und Schadstoffe sowie Belastungen abgeführt werden (z.B. Verbrennungsprodukte, Dampf, Gerüche, etc.). In Gasträumen werden daher typischerweise Luftwechselraten von 4-8 h-1 bzw. Luftvolumenströme von 40-60 m³/h pro Person angesetzt.
Um eine zur Lüftung mit Außenluft zusätzliche Verdünnung der (infektiösen) Aerosolkonzentration zu erreichen, werden derzeit sogenannte (mobile) Luftreinigungsgeräte diskutiert. Diese basieren prinzipiell auf zwei grundsätzlichen Funktionsweisen: a) der Abscheidung von Partikeln (und damit potentiell auch von Viren) b) der Inaktivierung des infektiösen Materials (also einer Zerstörung der Viren bzw. ihrer Mechanismen)
Für die Abscheidung werden Filter eingesetzt – diese werden durch den Abscheidegrad bzw. die Abscheideeffizienz charakterisiert. Diese hängt vom Filter, der Anströmgeschwindigkeit und der Partikelgröße ab – angegeben wird typischerweise der ungünstigste Wert bzgl. der Partikelgröße (die sogenannte most penetrating particle size) beim Nennvolumenstrom, welche zumeist um 0,1 bis 0,3 Mikrometer liegt (ein SarS-CoV-2-Virus ist ca. 0,08 bis 0,12 Mikrometer groß). Typische Filter der Raumlufttechnik haben eine Abscheideeffizienz von 30-90% (je nach Filter), sogenannte high efficiency particle air Filter (HEPA) mindestens 99,95% nach EN 1822 bzw. ISO 29463 (Beachte: der Begriff HEPA ist nicht geschützt auf eine Angabe einer normierten Filterbezeichnung sollte daher geachtet werden. Diese sind H13 oder H14 nach EN 1822 bzw. ISO35H, ISO40H, ISO45H nach ISO 29463). Wird der Filter schneller durchströmt, als beim Nennvolumenstrom, so bleiben die größeren Partikel eher hängen, wird er langsamer durchströmt, so können sich die kleinen Partikel besser anlagern.
Neben einer möglichst guten Abscheideeffizienz der Filter sollte also gleichzeitig auf einen möglichst großen Luftdurchsatz durch einen solchen Luftreiniger geachtet werden, damit er nicht zu schnell durchströmt werden muss, was gleichzeitig einen höheren Druckverlust und damit zumeist auch höheren Stromverbrauch und höheren Lärmpegel mit sich bringt. Letztlich müssen die verschiedenen Parameter abgewogen und auf die spezifische Situation angepasst werden – als Ausgangspunkt ist sicherlich ein Gerät mit einer Abscheideeffizienz von mindestens 99,95% bzw. H13 für einen Luftvolumenstrom von 50 m³/h pro Person auf mittlerer Betriebsstufe sinnvoll. Dabei ist auf einen möglichst geringen Schallpegel unter Angabe der Betriebsstufe zu achten.
Für die Inaktivierung werden unterschiedliche Technologien eingesetzt. Zu den derzeit am meisten diskutierten gehören: Einsatz von UV-C, (Plasma-)Ionisation, Ozon. Diese Technologien bzw. die Geräte mit Einsatz dieser Technologien sind hinsichtlich Corona-Viren zumeist noch nicht hinreichend erprobt. Allgemeine seröse Aussagen über deren Wirksamkeit findet man daher aktuell nur selten – die Angaben sollten stets sorgfältig geprüft werden. Vor diesem Hintergrund werden am Fraunhofer-Institut für Bauphysik derzeit sukzessive solche Technologien/Geräte untersucht. Dabei werden sogenannte Corona-Surrogat-Viren (Phi6-Bakteriophage) eingesetzt, die ähnlich zu den SarS-CoV-2-Viren sind und damit einen Rückschluss erlauben. Dabei zeichnet sich ab, dass auch diese Technologien wirksam sein können:
Wichtig bei diesen Technologien ist, dass durch chemische Reaktion der entstehenden Radikale (wie z.B. Ozon) mit anderen Stoffen in der Raumluft unbekannte Reaktionsprodukte, die potentiell auch gesundheitsschädlich sein können, entstehen können. Auf einen Nachweis der Hersteller, dass solche Produkte nicht entstehen, sollte geachtet werden. Bei der Verwendung von UV-C muss darauf geachtet werden, dass diese nicht in den Raum abgegeben wird, da UV-C negative gesundheitliche Wirkungen (insbesondere auf Augen und Haut) haben kann. Hierüber sollten die Hersteller einen Nachweis erbringen sowie Angaben zum sicheren Betrieb und Wartung machen.
Relevante Fragen zur Klärung des passenden Systems
Für den Fall, dass Sie über die Anschaffung eines Luftreinigungssystems nachdenken, haben wir Ihnen einige beispielhafte Fragen aufgelistet, die Ihnen helfen können, im Gespräch mit Verkäufern das für Sie passende Gerät zu identifizieren:
Denn wenn die Filter nicht rechtzeitig nach einigen Monaten erneuert werden, können sie selbst wieder zur Quelle von Schadstoffen werden. Ebenso müssen UV-C-Röhren nach einer bestimmten Zeit wieder gewechselt werden, im Regelfall nach circa 8.000 Betriebsstunden. In der Praxis sollte man deshalb auch darauf achten, dass neben den Anschaffungskosten laufende Kosten, beispielsweise für die Erneuerung von Filtern oder UV-C-Röhren, anfallen. Fragen Sie beim Hersteller, wie sich sein Gerät hier verhält.
Qualitätshersteller legen großen Wert darauf, dass all diese Kriterien im Fokus und sauber belegbar sind. Hier ist eine umfassende Konformitätserklärung üblich. Es ist anzuraten, sich dazu genau beim Verkäufer zu erkundigen und sich die Funktionsweise erläutern zu lassen.
Ebenfalls sollte die Lautstärke der Geräte akzeptabel für den Einsatzort sein. Das Fraunhofer IBP empfiehlt hier typischerweise Schalleistungspegel kleiner 50 dB(A) für Gasträume.